Sonntag, 14. Januar 2007
Bahnhof verstehen oder nicht
Der Bahnhof. Brutstätte der Hektik, der Unpünklichkeit und der flüchtigen Bekanntschaft. Im Grunde stellt ein mittelgroßer Bahnhof in einer mittelgroßen Stadt einen Mikrokosmos der Gesellschaft da: es gibt die reichen Geschäftsleute in Anzug und Schlips, die im Zug in der ersten Klasse sitzen, normale Pendler aus der Mittelschicht, Studenten, Schüler und natürlich die Unterschicht, hauptsächlich repräsentiert durch Obdachlose, die den Bahnhof als Wohnklo benutzen, mit der Betonung auf Klo. Natürlich vermischt sich das ganze schon mal zu einem grauen Einheitsbrei, wenn der Zug überfüllt ist und sich einfach jeder in die erste Klasse setzt. Ich bin Studentin und kann mir keine täglichen Tickets für die erste Klasse leisten, aber ich stell mich doch nicht in den Gang wie bestellt und nicht abgeholt! Also schieb den Aktenkoffer beiseitige, Bonze und gut is!

Eine weitere Gesellschaftsschicht am Bahnhof stellen die Tauben dar. Vom Lärm der Züge werden sie gelegentlich meschugge und verlieren ihren Koordinationssinn, so dass man sich auch schon mal ducken muss, um von den Viechern nicht gerammt zu werden. Wer will schon einen Schnabel im Auge! Die meisten Tauben werden aber einfach nur respektlos und haben ungefähr soviel Angst vor uns Menschen, wie wir Menschen vor einer Straßenlaterne. Das heißt, dass die Tauben munter zwischen den Füßen der Leute umherpicken und dabei lässig mit ihren Köpfen wippen. Freitag aber sahen sich gewisse Menschen genötigt, den Tauben zu zeigen, wer am Ende der Nahrungskette steht. Eine Explosion schreckte die Tauben auf und ließ sie panisch davonfliegen. OK, Explosion ist etwas übertrieben, sagen wir Knall. So eine Art Knall. Mehr eine Mischung aus Knall und Peng mit einem Hauch von Boom und etwas Krawumm. Es gab sicher Zeiten, da wurde so etwas mehr oder weniger ignoriert, zumindest von Menschenseite aus, aber seit dem 11. September 2001 erschrecken sich dabei nicht mehr nur die Tauben. Es kam Polizei und Feuerwehr, aber es war wohl doch nur ein harmloser Silvesterknaller. Ich stand nur wenige Meter vom Tatort entfernt. Allerdings war es früh morgens und ich hatte einen langen Tag vor mir, also statt "Oh Mann, wie aufregend!", oder "Oh Mann, was war denn das?", dachte ich eher so etwas wie "Oh Mann, Schnauze da vorne!".

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