Donnerstag, 17. August 2006
Der ganz normale Werbewahnsinn (Teil 2)
Wieder eine schlaflose Nacht und wieder die Gelegenheit, ein besonderes Stück Fernsehkultur zu erleben: die Werbesendung für den Ab King Pro. Nein, das ist kein besonders gut verträgliches Abführmittel, sondern ein Bauchmuskeltrainingsdingsbums, mit dem man im Nullkommanix vom schlaffen Herzinfaktsrisikopatienten zum Muskelmann bzw. zur Muskelfrau wird. Yeah!!!

Der Spot beginnt mit einem gutaussehenden, muskulösen Mann in Königsgewand und mit hübscher Krone auf dem Haupt, womit gleich vorweg verraten wird, was das angebotene Produkt so alles kann: es macht einen tollen Bauch und verhilft einem zur Herrschaft über ein Königreich seiner Wahl.

Der Spot ist wirklich geschickt gemacht, denn all die durchtrainierten Männer und Frauen, die darin auftreten, erzählen uns, was für Luschen sie waren, bevor sie den Ab King Pro gekauft haben. Leider musste der Satz "bevor ich den Ab King Pro ausprobiert habe, war ich einsam und impotent, jetzt habe ich drei Frauen und zehn Kinder" rausgeschnitten werden, aber die immer wieder eingestreuten Szenen, in denen durchtrainierte Männer mit gutgebauten Models schmusen, sagen mehr als tausend Worte.

Besonders berührend finde ich die Geschichte eines jungen Mannes, der uns erzählt, dass er mit 21 Jahren vom Arzt erfahren hat, dass er wegen zu hoher Kolesterinwerte am Rande des Todes steht und schließlich vom Ab King Pro gerettet wurde. Oh ja, Penicillin, Antibiotika, Ab King Pro. Das sind die Errungenschaften der Medizin, die das Überleben der Menschheit sichern.

Natürlich habe ich auch in diesem Spot ein Lieblingszitat: „Mein größter Wunsch war es, meine Bauchmuskeln zu stärken!“ Aber ja doch! Weltfrieden? Pah, braucht kein Mensch! Familie und Freunde? Völlig Überbewertet! Glück in der Liebe? Igitt! Starke Bauchmuskeln dagegen...ja, das ist es!

Ach ja, Spass machen soll das ganze auch noch. Eigentlich braucht man zum Leben nur dieses eine Gerät. Toll, hätte ich das eher gewußt, hätte ich mir in den letzten 23 Jahren das ganze Geld für Lebensmittel, Medikamente, Toilettenartikel, Bücher, DVD`s, u.s.w. echt sparen können! Aber hinterher ist man immer schlauer.

Mit dieser Erkenntnis ziehe ich mich in meine königlichen Gemächer zurück...

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Samstag, 12. August 2006
Die Bücher und ich
Am Freitag war es mal wieder Zeit, mich an einen besonders dunklen und beängstigenden Ort zu begeben: unsere Uni-Bibliothek.

Steintreppen führen hinab zu einem großen Kellergewölbe, in dem sich gigantisches Wissen, gebündelt in Zehntausenden von Büchern, befindet und man weiß sofort, dass man nach 4 Jahren Studium nicht einmal einen Bruchteil dieser Bücher gelesen und noch weniger verstanden hat. Ja, das gibt Selbstvertrauen!

Manchmal, wenn ich wieder einmal durch die Gänge schleiche und den Duft von Papier, Staub und latenter Verzweiflung einatme, frage ich mich, wie es wohl wäre, wenn ich versehentlich übers Wochenende dort unten eingschlossen werde. Dann könnte ich endlich die Frage beantworten, ob man von Bildung satt wird. Nun ja, zumindest müsste ich nicht frieren und hätte genügend Brennmaterial, welches sicher sehr schön knistert und wärmt. Ätsch, reingefallen, ihr glaubt doch nicht allenernstes, dass ich ohne Streichholz oder Feuerzeug in der Lage wäre, ein Feuer zu machen! Wer bin ich, Robinson Crusoe? Papier hin oder her, ich würde frieren, hungern, dursten und mich dabei wahrscheinlich auch noch langweilen.

Fakt ist, dass dieses verdammte, mit Büchern vollgestopfte Kellergewölbe nicht gerade sehr viel Lust auf ein Studium macht. Die PR-Abteilung der Uni sollte sich was schämen! Gut, es gibt sicher Menschen, die auf dieses Kerker-Ambiente abfahren, aber die meisten Leute werden da unten einfach nur depressiv. Man nehme z.B. den Boden. Der ist so farblos grau mit ein bißchen weiß, dass man das Gefühl hat, auf Nichts zu laufen. Die Wände und Regale sind grau, an der Decke verlaufen hässliche Rohre und die Grabesstille lässt einen frösteln.

Da muss Farbe rein! Den Boden könnte man in himmelblau, postautogelb oder schweinchenrosa streichen. Den Wänden würden ein paar lustige Motive gut tun, es kann ja auch was Bücherbezogenes sein:



An der Uni gibt es soviele Kunststudenten, die können ein bißchen praktische Erfahrung gut gebrauchen, bevor sie nach ihrem Studium hauptberuflich Plastikhütchen für das McDonalds-Personal basteln.

Auch leise Musik im Hintergrund könnte nicht schaden. Hey, sogar in diesen komischen Toilettencontainern, in denen man man für eine Pinkelsteuer von 30 Cent seine Bedürfnisse befriedigen darf, spielt leise Musik.

Außerdem wäre es zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine tolle Maßnahme, als 1-Euro-Job Leute einzustellen, die für faule und versnobte Studenten die Bücher raussuchen.

Es ist toll, dass ich in einem großen Kellergewölbe voller wissenschaftlicher Bücher, geschrieben von den klügsten Köpfen der Welt, nur an solchen Blödsinn denke.

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Dienstag, 8. August 2006
Der ganz normale Werbewahnsinn (Teil 1)
Zu den vielen schlechten Angewohnheiten, die ich mir über die Jahre so angeignet habe, gehört auch die Schlaflosigkeit. Nicht nur, dass ich einen sehr leichten Schlaf habe und schon aufwache, wenn zwei Häuser weiter jemand niest, es fällt mir oft auch schwer, überhaupt einzuschlafen. Wenn ich mal wieder unter Schlaflosigkeit leide, tue ich das, was jeder halbwegs gebildete Mensch in so einer Situation tun würde: ich schalte die verdammte Glotze ein.

Leider lässt das Fernsehprogramm nach 2.00 Uhr in der Nacht sehr zu Wünschen übrig, aber dem Himmel sei Dank gibt es ja noch die beste Erfindung seit der Einführung der freien Marktwirtschaft: Tele-Shopping. Seit einiger Zeit wird spät in der Nacht ein ganz besonders interessantes Produkt angepriesen - eine Rotierende Keramik Bürste. Ja, liebe Freunde, Sie haben richtig gelesen - eine Rotierende Keramik Bürste.



Die dazugehörige Werbesendung hat einfach alles: Action, Humor, Kapitalismus und Sexismus.

Diese Rotierende Keramik Bürste kann jedes Frisurenproblem lösen, denn sie ist Rundbürste, Föhn, Glätteisen undsoweiter in eins und ich wette, dass sie sogar den Rasen mähen und ein 10-Gänge-Menü zubereiten kann, wenn man sie in der Premium-Edition bestellt.

Die Werbesenung funktioniert nach dem berühmten Vorher/Nachher-Prinzip. Wir sehen zunächst Frauen mit ganz furchtbaren Frisuren. So furchtbar, dass man man im wahren Leben schon 2 Stunden in eine Steckdose fassen und danach noch eine Vogelfamilie in seinem Haar nisten lassen müsste, um so zerzauste Haare zu bekommen, wie die Damen in dem Werbespot, aber man weiß ja nie, was Frauen so für Angewohnheiten haben. Den Produzenten dieses genialen Werbespots war es wichtig, Vielfalt zu demonstrieren und wirklich jede Frau anzusprechen, daher gibt es in der Sendung eine dunkelhaarige Frau, eine blonde Frau und eine rothaarige Frau. Die Produzenten haben sich mit dieser Demonstration von Verschiedenartigkeit soviel Mühe gegeben, dass ihnen nicht aufgefallen ist, dass die Frauen in dem Spot zwar alle unterschiedliche Haarfarben haben, aber komischerweise allesamt jung, schlank und hübsch sind. Na ja, wie im richtigen Leben: Frauen unterscheiden sich nur in ihrer Haarfarbe voneinander. Nicht so makellose Frauen sollen zwar angeblich auch existieren, aber die werden von der Regierung irgendwo unter Verschluss gehalten.

Am besten gefallen mir an dieser Werbesendung die schauspielerischen Leistungen. Besonders die dunkelhaarige Frau hat es mir angetan. In der Vorher-Szene sitzt sie dort mit schlaffem, glanzlosem Haar und ihren Gesichtsausdruck hat sie sich aus einem Zombiefilm abgeguckt. Ihr Gesicht wirkt leer und tod, denn was hat man noch für einen Grund zu leben, wenn die Frisur nicht sitzt? Nach dem Einsatz der Wunderbürste aber zeichnet sich plötzlich ein mega-breites Lächeln auf ihr Gesicht und die ganze Welt ist wieder in Ordnung. Klar, es gibt immer noch Kriege und Hungersnöte, aber was kümmert einen das, wenn man eine tolle Frisur hat?

Angesprochen werden sollen natürlich auch Mütter mit Kindern und so verkündet der Moderator dieser Werbesendung, dass Kinder die Bürste "lieben werden". Ja, man merkt, dass die Macher dieses Spots wirklich Ahnung von der heutigen Jugend haben. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie 7-jährige Mädchen am Heiligabend unter dem Weihnachtsbaum strahlend ihre Rotierende Keramik Bürste auspacken. Barbie hat ausgespielt!

Da auch Action in einer solchen Werbung nicht fehlen darf, wird uns gezeigt, was die altbekannten Gerätschaften, wie normale Bürsten und Glätteisen, für Qualen verursachen können. Da fragt man sich doch, wie Frau bisher überleben konnte.

Eines meiner Lieblingszitate aus diesem Spot ist: "überraschen sie ihre Freunde jeden Tag mit einer neuen Frisur!" Natürlich, Freundschaften unter Frauen beruhen nur auf Äußerlichkeiten. Meine Freunde mögen mich nur wegen meiner kurzen, blonden Haare und damit das so bleibt, muss ich meiner Frisur bei jedem Treffen ein besonderes Highlight verpassen. Zweimal hintereinander mit dem gleichen Look aufzutauschen, kann einer 20-jährigen Freundschaft sofort den Todesstoß versetzen.

Liebe Fernsehbosse, warum versteckt ihr diese geniale Werbesendung im Nachtprogramm, wo sie doch so unterhaltsam ist? Jedenfalls doppelt so unterhaltsam wie GZSZ und Co. und DAS meine ich jetzt traurigerweise nicht ironisch!

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